Das Universale Haus der Gerechtigkeit | Botschaft vom 2015-10-09
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Das Universale Haus der Gerechtigkeit
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9. Oktober 2015
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Der Nationale Geistige Rat der Bahá’í in [...]
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Liebe Bahá’í-Freunde,
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das Universale Haus der Gerechtigkeit hat ein Schreiben vom 28. Dezember 2014 von Herrn [....], Herrn [....] und Herrn [....] erhalten, das Ihnen in Kopie vorliegt. Darin wurde um Führung bezüglich ihrer Initiative „[….]“ gebeten. Wie Sie dem Schreiben vom heutigen Tag, das im Namen des Hauses der Gerechtigkeit an diese Freunde gerichtet wurde, entnehmen können, wurden sie gebeten, sich an Ihren Rat zu wenden, um Führung in Bezug auf ihr Projekt zu erhalten. In diesem Zusammenhang wurden wir angewiesen, Ihnen die folgenden Überlegungen mitzuteilen, auf die Sie bei der Unterstützung und Beratung dieser Gläubigen sowie anderer, die an ähnlichen Vorhaben beteiligt sind, zurückgreifen können.
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Wie Sie wissen, ist der technologische Fortschritt ein integrales Element beim Entstehen einer globalen Zivilisation. Tatsächlich ist das Internet Ausdruck einer vom Hüter erwarteten Entwicklung, als er bei der Beschreibung der Charakteristika einer geeinten Menschheit voraussah, dass ein „Netzwerk weltweiter Kommunikation […] ersonnen werden [wird]; es wird den ganzen Erdball umspannen und, von allen nationalen Hindernissen und Beschränkungen frei, mit wunderbarer Schnelligkeit und vollkommener Pünktlichkeit ablaufen“. Dennoch ist es eine ungeheuer große Herausforderung, das Internet auf eine Weise zu nutzen, die dem materiellen und geistigen Fortschritt förderlich ist.
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Im Internet können Bahá’í- und Bahá’í-inspirierte Inhalte einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden. Das Haus der Gerechtigkeit hat in diesem Zusammenhang eine Verstärkung der offiziellen Bahá’í-Präsenz im World Wide Web angeregt, und es war erfreut über die vielen Fortschritte, die insbesondere in den letzten Jahren erzielt wurden, und sieht der weiteren Entfaltung dieses Prozesses erwartungsvoll entgegen. Darüber hinaus nutzen viele Gläubige auf der ganzen Welt, jeder nach seinen Gegebenheiten und im Einklang mit anderen Bestrebungen der Gemeinde, das Internet als Medium, um Bahá’u’lláhs Vision einer neuen Weltordnung voranzubringen. Es ist nur natürlich, dass die Freunde hierbei verschiedene Wege erkunden. Da das Internet jedoch die unmittelbare Verbreitung von Inhalten in immer weiter zunehmendem Umfang ermöglicht, sind Weisheit und Selbstdisziplin erforderlich, damit die Bedeutung oder Würde der Lehren nicht durch eine unangemessene, ungenaue oder trivialisierende Darstellung Schaden nimmt.
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In Betracht zu ziehen ist diesbezüglich auch, dass die Institutionen des Glaubens die Verantwortung dafür tragen, offizielle Informationsquellen über den Glauben zu schaffen und zu pflegen, wie z.B. nationale und internationale Websites, regelmäßig die Darstellung des Glaubens im World Wide Web einzuschätzen und Einzelpersonen die notwendige Führung zu bieten. Die Freunde können im Allgemeinen frei entscheiden, auf welche Aspekte der Lehren sie in ihren Beiträgen eingehen wollen, sollten dabei aber ihre Internetseiten klar von denen der Institutionen abgrenzen. Dies kann durch eine Vielzahl von Mitteln erreicht werden, einschließlich des Namens, der Beschreibung oder des Designs einer Website. Während die Freunde in der Vergangenheit manchmal angehalten wurden, das Wort „Bahá’í“ oder dessen Formen nicht im Namen ihrer Websites zu verwenden, hat die Erfahrung gezeigt, dass dies nicht immer notwendig ist, wenn andere Aspekte der Website diese zweifelsohne als individuelle Initiative kenntlich machen. Darüber hinaus werden Einzelpersonen zweifellos einen Ton vermeiden wollen, der als autoritativ oder belehrend empfunden werden könnte. Auch werden sie Themenbereiche vermeiden wollen, die ausschließlich in den Verantwortungsbereich der Institutionen fallen, wie z.B. das Angebot einer umfassenden Sammlung der Schriften und von Botschaften des Hauses der Gerechtigkeit oder eines umfassenden Kalenders von Bahá’í-Veranstaltungen in vielen Ländern. Dies wird besonders wichtig, wenn die Bekanntheit einer Website steigt und sie an Bedeutung gewinnt. Das Ziel der Institutionen, die richtige Einstellung der Freunde zu fördern, besteht nicht darin, ihre Bemühungen übermäßig einzuschränken, sondern Verwirrung und Fehlinformationen zu vermeiden.
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Obwohl eine Internetseite natürlich von jedem Teil der Welt aus aufgerufen werden kann, sollte ein Bahá’í, der eine persönliche Internetseite einrichten möchte, dennoch bestimmen, welche passende Zielgruppe er ansprechen will und welcher Themenkreis abgedeckt werden soll. So mag es beispielsweise nutzbringend sein, über Art und Form der Kernaktivitäten zu reflektieren, insbesondere im Zusammenhang mit der Erfahrungen eines Clusters oder einer Region. Wird allerdings versucht, eine Seite aufzubauen, die darauf abzielt Bahá’í weltweit zu diesem Thema anzusprechen, ergeben sich gewisse Probleme. Ein solcher Ansatz könnte dazu führen, dass kulturelle Normen und Werte einer bestimmten Gruppe der Allgemeinheit gegenüber in den Vordergrund gerückt werden – ein Schema, das in der heutigen Welt nur allzu verbreitet ist. Es besteht auch die Gefahr, dass ein unbeabsichtigter Einfluss auf den Prozess des Lernens an der Basis ausgeübt wird, in dem Einzelne, Gemeinden und Institutionen als Akteure ihres eigenen Wachstums und ihrer eigenen Entwicklung fungieren. Die in dem folgenden Auszug aus der Botschaft des Hauses der Gerechtigkeit vom 12. Dezember 2011 an alle Nationalen Geistigen Räte behandelten Gesichtspunkte sind, auch wenn sie im spezifischen Kontext künstlerischer Bemühungen und ergänzender Lehrmaterialien stehen, für die oben genannten kulturellen Aspekte besonders relevant:
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„Angetrieben von Kräften, die innerhalb und außerhalb der Bahá’í-Gemeinde entstehen, kann man sehen, wie die Völker der Welt sich aus unterschiedlichen Richtungen immer näher aufeinander zu bewegen, hin zu dem, was eine Weltzivilisation von so großartigem Gepräge sein wird, dass der Versuch, sie uns heute vorzustellen, vergeblich wäre. Während sich diese zentripetale Bewegung der Bevölkerungen auf der ganzen Welt beschleunigt, werden einige Elemente in jeder Kultur, die nicht mit den Lehren des Glaubens übereinstimmen, nach und nach wegfallen, wohingegen andere verstärkt werden. Aus dem gleichen Grund werden sich im Laufe der Zeit neue Elemente der Kultur entwickeln, sobald Menschen jeglicher Gruppierung, von der Offenbarung Bahá’u’lláhs inspiriert und als Folge Seiner Lehren, einem Schema des Denkens und Handelns, unter anderem durch künstlerische und literarische Werke, Ausdruck verleihen. …. Wir sehnen uns beispielsweise danach, fesselnde Lieder aus allen Teilen der Welt und in jeder Sprache entstehen zu sehen, die dem Bewusstsein junger Menschen die tiefen Konzepte einprägen, die in den Bahá’í-Lehren verwahrt sind. Doch solch ein Aufblühen kreativen Denkens wird sich nicht verwirklichen, wenn die Freunde, sei es auch nur versehentlich, in Verhaltensweisen verfallen, die in der Welt vorherrschen; Verhaltensweisen, die denen, die über finanzielle Mittel verfügen, Vollmacht erteilen, ihre kulturellen Perspektiven anderen aufzuzwingen und sie mit Materialien und Produkten, die sie aggressiv bewerben, zu überschwemmen.“
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Ein übergreifender Grundsatz, der die Bemühungen der Freunde bei ihrer Kommunikation im Internet leiten sollte, betrifft den Gebrauch der Sprache. Bahá’u’lláh bezeichnet die menschliche Äußerung als „eine Wirklichkeit, die Einfluss auszuüben sucht und des rechten Maßes bedarf“, und Er fordert seine Anhänger auf, „in Worten [zu] reden, die sanft wie Milch sind, damit seine Worte die Menschenkinder nähren und erbauen, so dass sie das höchste Ziel menschlichen Daseins erreichen: die Stufe wahren Verstehens und geistigen Adels“. Das Haus der Gerechtigkeit hat in seinem Schreiben vom 29. Dezember 1988 an die Bahá’í in den Vereinigten Staaten festgestellt: „Die Rede ist ein machtvolles Phänomen. Ihre Freiheit muss gepriesen, aber auch gefürchtet werden. Sie verlangt ein klares Urteil, denn in der Beschränkung wie im Exzess kann sie schreckliche Folgen zeitigen.“ In diesem Sinne sollten die Bahá’í in jeder Diskussion, an der sie teilnehmen, Mäßigung, Höflichkeit und Demut verkörpern – ob persönlich oder online. Sie sollten negative Denk- und Ausdrucksgewohnheiten, die oft unbewusst von der Gesellschaft angenommen wurden, erkennen und überwinden. Und sie sollten auf der Hut sein, damit sie nicht die Tendenz entwickeln, den Glauben oder die Prozesse des Göttlichen Plans auf eine grob vereinfachende oder vorschreibende Reihe von Punkten oder Schritten zu reduzieren, die oft in einem ungerechtfertigt autoritativen oder respektlosen Ton vermittelt werden, oder sich erlauben in einem Tonfall zu sprechen, der repräsentativer erscheint als er jemals sein kann. Diesbezüglich müssen diejenigen, die verschiedene Websites betreiben, auf ihre eigene zugrundeliegende Einstellung achten, die unter Umständen durch Inhalte und Ausdrucksweise vermittelt wird. Im Bemühen um solch ein geschärftes Bewusstsein könnten sie zum Beispiel die folgenden Fragen erwägen: Wie werden sie die gedankenlose Einführung von online vorherrschenden Marotten, die ihre Absicht untergraben könnten, vermeiden? Ist die Art von Humor, dessen sie sich bedienen, angemessen? Wie werden die Inhalte von jemandem aufgenommen, der nicht mit dem Glauben vertraut ist? Während sie danach streben, den Bahá’í-Standard zu erreichen, sollten die Freunde darum bemüht sein, sich über die weit verbreiteten, oftmals reduktiven oder krassen Techniken des Überredens und der Sensationsgier zu erheben anstatt sie nachzuahmen. Und sie müssen sich immer dessen bewusst bleiben, dass sie sich um eine Etikette des Ausdrucks bemühen, „die der künftigen Reife der Menschheit würdig sind“.
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Das Haus der Gerechtigkeit hat durchaus die bedeutsame Rolle anerkannt, die Bahá’í-inspirierte Organisationen im Bereich der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung gespielt haben. Die Einführung einer Art Unternehmensstruktur und der Einsatz erheblicher finanzieller Ressourcen in der Absicht, Tätigkeitsbereiche zu fördern, mit denen die Institutionen des Glaubens direkt befasst sind – wie das Lehren und der Gemeindeaufbau –, ziehen jedoch zusätzliche Komplexität nach sich. Sie werden darauf zu achten haben, wie eine solche Unterstützung viele der in diesem Schreiben dargelegten Sachverhalte unter Umständen aufbauschen mag.
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Es ist klar, dass die Herren [....] und [...] ihre Bemühungen stärker mit den Bedürfnissen des Glaubens und mit der Führung seitens der Institutionen in Einklang bringen möchten. Das Haus der Gerechtigkeit hofft, dass die oben angesprochenen Konzepte Ihnen helfen werden, mit diesen Freunden ein kontinuierliches und konstruktives Gespräch über ihre Initiative zu führen, und ihnen sowie anderen, die ähnliche Projekte durchgeführt haben, Rat und Unterstützung anzubieten hinsichtlich einer schrittweisen Klärung von Sachverhalten und hinsichtlich der Sicherstellung einer Verfeinerung von deren Bemühungen im Laufe der Zeit sowie dem Ausmachen angemessener Aktivitätsfelder für den Einzelnen und für die Institutionen. Seien Sie der Gebete des Hauses der Gerechtigkeit an der Heiligen Schwelle versichert, dass Ihre Bemühungen, die Freunde in Ihrem Land zu führen und zu unterstützen, von der Abhá-Schönheit reichlich gesegnet werden mögen.
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[gezeichnet: Das Universale Haus der Gerechtigkeit]
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